Alte Obstsorten: Wiederentdeckte Vielfalt für den Hausgarten


In früheren Zeiten hatten die meisten Menschen auf dem Land einen eigenen Garten mit einer Vielzahl von Obst- und Gemüsesorten. Es gab Streuobstwiesen und wilden Frucht- und Obstwuchs in verschiedenen Landstrichen. Doch mit der Industrialisierung veränderte sich auch die Obstwelt. Es wurden Sorten bevorzugt, die lagerfähig waren und ein einheitliches Aussehen hatten. Dadurch gerieten viele alte Obstsorten in Vergessenheit und sind heute im Supermarkt kaum noch zu finden.

Es ist bedauerlich, dass diese historischen Obstsorten verloren gegangen sind, denn sie haben sich über Jahrhunderte hinweg an unsere klimatischen Bedingungen angepasst. Sie enthalten oft mehr Nährstoffe als moderne Sorten, die aufgrund strenger Auswahlkriterien an Geschmack und Aussehen viel von ihrem ursprünglichen Wert eingebüßt haben. Geschmacklich sind die alten Obstsorten ein wahres Erlebnis im Vergleich zu den geschmacksarmen Sorten, die im Handel erhältlich sind.

Zum Glück gibt es immer noch Obstgärtner, die Wert auf biologische Vielfalt und Ursprünglichkeit legen und alte Obstsorten erhalten. Hier sind einige der historischen Obstsorten, die wiederentdeckt werden können und sich ideal für den Anbau im Hausgarten eignen:

Altdeutsche Apfelsorten

1. Alantapfel

Der Alantapfel zeichnet sich durch sein angenehm süßes Aroma aus. Bereits seit dem 16. Jahrhundert ist er in Deutschland als Tafelapfel beliebt. Obwohl er nicht sehr groß ist, eignet er sich aufgrund seiner Lagerfähigkeit gut zum Einlagern für den Winter.

2. Badischer Brauner Matapfel

Der Braune Matapfel erfreut seit ebenfalls dem 16. Jahrhundert Liebhaber, oft in Form von leckeren Apfelsäften und Weinen. Er gilt als die älteste Apfelsorte hierzulande und ist mittelgroß mit einer hellroten bis violetten Schale. Er ist sehr lagerfähig und kann bis Mai im Apfelkeller aufbewahrt werden.

3. Gacksapfel

Der Gacksapfel ist ein altdeutscher Winterapfel, der unbedingt erhalten bleiben sollte. Er ist hellgrün, wird mit zunehmender Reife jedoch eher lila. Er reift recht früh, nämlich schon Ende September, und ist mindestens bis April lagerfähig. Der Gacksapfel zeichnet sich durch sein fein-säuerliches und erfrischendes Aroma aus und ist bekannt für seine Robustheit gegen Frost und Apfelschorf.

Alte Birnensorten

1. Gellerts Butterbirne

Die Gellerts Butterbirne zählt zu den ältesten Birnensorten weltweit und ist seit 1838 auch in Deutschland heimisch geworden. Sie ist eine exzellente Tafelbirne mit hohem Saftgehalt und leicht säuerlich-erfrischendem Aroma.

2. Petersbirne

Die Petersbirne war vor einigen Jahren noch in fast jedem Haus- oder Bauerngarten zu finden, wurde jedoch von neuen Züchtungen und Veredelungen verdrängt. Diese kleinen, hocharomatischen Birnen sind voller Süße mit einem leichten Zimtaroma.

3. Bayerische Weinbirne

Die bayerische Weinbirne ist in Süddeutschland beheimatet und eignet sich hervorragend für die Herstellung von Most und zum Dörren. Dörrbirnen und das Kletzenbrot sind altdeutsche Delikatessen, für die süße und saftige Früchte benötigt werden.

Alte Kirschsorten

Im 19. Jahrhundert gab es in Deutschland schätzungsweise über 600 Kirschsorten. Hier sind einige der alten Sorten, die es wert sind, wiederentdeckt zu werden:

1. Schneiders Späte Knorpelkirsche

Die Schneiders Späte Knorpelkirsche ist bereits seit über 100 Jahren in Deutschland bekannt. Ihre späte Blütezeit versorgt Bienen und andere Insekten noch, wenn andere Obstbäume bereits verblüht sind. Diese historische Süßkirsche ist für ihre dicken Früchte und ihre schwarz-braun besprenkelte Schale bekannt.

2. Rottaler Sämling

Der Rottaler Sämling ist sehr frostfest und gesund. Die mittelgroßen Früchte sind fast schwarz und meistens madenfrei. Mit ihrem süßen Wildkirscharoma eignen sie sich für Säfte, Kompotte und vieles mehr. Überreife Früchte faulen nicht, sondern verschrumpeln am Baum und gewinnen dadurch an schmackhafter Süße.

3. Heimanns Rubinwechsel

Diese Sorte ist seit 1920 bekannt und wahrscheinlich schon länger in Deutschland heimisch. Die Heimanns Rubinwechsel ist eine robuste und alte Sauerkirsche, die unempfindlich gegenüber der Moniliafäule ist. Sie stellt keine besonderen Ansprüche an Pflege und Standort und besticht durch ihre großen, dunkelroten Früchte.

Alte Pflaumen- und Zwetschgensorten

1. Reneklode oder Reneclaude

Die Reneklode, auch bekannt als Reneclaude, schmeckt am besten, wenn sie frisch vom Baum gepflückt wird. Sie eignet sich gut zur Herstellung von Marmeladen und Likören. Die Reneklode und ihre Verwandten, die Mirabellen, zeichnen sich durch ihre dezente Süße aus und sind vielseitig verwendbar.

2. Bühler Frühzwetschge

Die Bühler Frühzwetschge ist seit 1840 in Deutschland bekannt und beliebt. Sie schmeckt frisch am besten, kann aber auch gut gelagert werden. Diese Zwetschge hat einen süß-säuerlichen Geschmack und eignet sich hervorragend für Marmeladen, Gelee, Saft und Kompott. Die Bäume sind widerstandsfähig gegen Krankheiten und insgesamt robust.

3. Herman Zwetschge

Die Herman Zwetschge zeichnet sich durch ihren starken Duft aus, der sofort auffällt. Das Fruchtfleisch ist gelb und angenehm süß im Gegensatz zur Schale, die dunkelblau ist. Diese Zwetschgen eignen sich sowohl für den Frischverzehr als auch für Kuchen und Marmeladen.

Die Mispel und die Quitte

Die Mispel war im Mittelalter fast überall in Deutschland verbreitet, ist heute jedoch nur noch gelegentlich in Parks zu finden. Die kleinen, braunen und harten Früchte eignen sich aufgrund ihres hohen Pektingehalts und ihres herb-süßen Aromas am besten für die Herstellung von Marmeladen und Kompott. Die Quitte ist eine alte Frucht, aus der sich vielerlei Leckereien zaubern lassen, wie das traditionelle Quittenbrot, Quittengelee und Quittensaft.

Bedeutung für den Hausgarten

Der Anbau und die Pflege alter Obstsorten im Hausgarten bringen viele Vorteile mit sich. Die Vielfalt an Sorten bereichert nicht nur das Landschaftsbild, sondern auch den eigenen Speiseplan. Alte Obstsorten haben sich über Jahrhunderte bewährt und sind an die klimatischen Bedingungen angepasst. Sie sind oft widerstandsfähiger gegen Krankheiten und Schädlinge und benötigen weniger Pflege als moderne Sorten.

Der Hausgarten bietet die Möglichkeit, alte Obstsorten anzubauen und ihre Einzigartigkeit und Vielfalt zu genießen. Ob frisch vom Baum gepflückt oder zu köstlichen Marmeladen und Kuchen verarbeitet, die alten Obstsorten bieten ein Geschmackserlebnis, das die standardisierten Sorten im Supermarkt nicht bieten können.

Erhaltung und Förderung alter Obstsorten

Die Erhaltung und Förderung alter Obstsorten liegt in der Verantwortung von Obstgärtnern und Privatpersonen. Es gibt Projekte und Initiativen, die sich für den Schutz und die Vermehrung alter Obstsorten einsetzen. Durch den Anbau und die Verbreitung dieser Sorten wird ihre Vielfalt bewahrt und weitergegeben.

Es ist wichtig, dass wir die alten Obstsorten wiederentdecken und ihnen eine Chance geben. Sie bereichern nicht nur unseren Garten und unseren Speiseplan, sondern auch unser kulturelles Erbe. Die Vielfalt und Einzigartigkeit dieser historischen Sorten sind es wert, bewahrt und geschützt zu werden.